Info zur Produktgruppe
Definition
Inkontinenzhilfen dienen Personen, die nicht in der Lage sind, Harn und/oder Stuhlabgang willkürlich zu kontrollieren. Ursache können Fehlbildungen bzw. verschiedene Krankheits- oder Verletzungsfolgen sein.
Man unterscheidet Urin- und Stuhlinkontinenz.
Bei Harninkontinenz kommt es zum ungewollten Abgang von Urin (Harn). Die Mengen unterscheiden sich je nach Schweregrad der Funktionsstörung oder Schädigung des unteren Harntrakts und Situation.
Hilfsmittel zur Harninkontinenzversorgung sollen Urinausscheidungen auffangen oder ableiten und rücknässegeschützt speichern oder aufsammeln, um Infektionen (z. B. Harnwegsinfektionen), eine Dermatitis oder ein Ekzem und sonstige Schädigungen zu verhindern.
Die Stuhlinkontinenz beruht ebenfalls auf einer direkten oder indirekten Schädigung der analen Schließmuskelfunktion verschiedenen Grades. Üblich ist das Auffangen des Stuhles in saugenden oder aufnehmenden Systemen, um z. B. eine Dermatitis oder ein Ekzem zu verhindern. Falls eine Urin- und Stuhlinkontinenz vorliegt, steigt das Risiko für Hautirritationen. Daher ist es notwendig, die Hautbeschaffenheit regelmäßig zu kontrollieren.
Inkontinenzhilfen lassen sich in fünf wesentliche Gruppen einteilen: aufsaugende Versorgung, ableitende Versorgung, Hilfsmittel zur kontrollierten Blasenentleerung, Hilfsmittel zum Training der Beckenbodenmuskulatur und intraurethrale/intravaginale/intraanale Inkontinenzprodukte.
Aufsaugende INKONTINENZVersorgung
Produkte dieser Gruppe sind mehrschichtig aufgebaut. Sie saugen Urin und fangen Stuhlgang auf. Durch die Ausstattung mit einem weichen Innenvlies und aufsaugenden Materialien sollen sie eine Dauerbefeuchtung der Haut im Anwendungsbereich vermeiden und Gerüche binden. Geeignet sind Produkte, die körpernah getragen werden und dabei eine feuchtigkeitsdichte Außenschicht aufweisen.
Vorlagen und anatomisch geformte Vorlagen werden in einer Fixierungshose, z. B. in einer Netzhose oder mit einer gleichwertigen Fixierung, getragen.
Inkontinenzhosen werden in verschiedenen Formen angeboten, z. B.:
als Inkontinenzwindelhosen (auch als Windeln mit Klebestreifen oder Windelhosen bezeichnet) mit wiederverschließbaren Systemen (Klebe- und/oder Haftstreifen)
als Inkontinenzunterhosen ohne Verschlusssystem, die aufgrund ihrer Ausstattung mit einem elastischen Hüftbund wie normale Unterwäsche an- und ausgezogen werden können.
Die vorrangig einzusetzende, weil hautfreundlichste Versorgung ist die anatomisch geformte Vorlage mit einer Netz- oder Fixierhose. Wenn aufgrund des Krankheitsbildes (körperliche oder kognitive Einschränkungen) Vorlagen nicht zweckmäßig sind oder nicht ausreichen, können Inkontinenzhosen in Betracht kommen.
Dabei stellen Produkte mit wiederverschließbaren Systemen (Inkontinenzwindelhosen) die Regelversorgung dar. Produkte ohne Verschlusssystem (Inkontinenzunterhosen) bieten gegenüber wiederverschließbaren Produkten (Inkontinenzwindelhosen) keinen medizinischen Vorteil, können aber zum Beispiel bei Versicherte mit körperlichen und/oder kognitiven Einschränkungen, die mit Vorlagen und Netzhosen nicht adäquat zu versorgen sind und beispielsweise Windeln mit Klebeverschluss immer wieder entfernen, ggf. eine geeignete und notwendige Versorgung darstellen.
Die wesentlichen aufsaugenden Eigenschaften von Vorlagen und Inkontinenzhosen werden gemäß den auf Produktuntergruppenebene festgelegten besonderen Qualitätsanforderungen des Hilfsmittelverzeichnisses durch zwei Testverfahren ermittelt:
Der MDS-Test wird mit zehn Quadratzentimeter großen Saugkörperproben des Inkontinenzprodukts durchgeführt und berücksichtigt neben der Gesamtaufnahmekapazität auch die Aufsauggeschwindigkeit und Rücknässung.
Der sog. ABL-Test („Absorption before Leakage“) soll eine stärkere Berücksichtigung der tatsächlichen Einsatzbedingungen ermöglichen und ist in der Norm DIN 13222 (Aufnahmekapazität von saugenden Inkontinenzhilfen bis zum Auslaufen – Prüfverfahren zur Messung der Saugleistung mittels Prüftorso) geregelt. Die Norm dient dazu, bei der Messung der Saugleistung von anatomisch geformten Vorlagen und Inkontinenzwindelhosen Effekte von zusätzlichen Design- und Ausstattungsmerkmalen der Produkte zu berücksichtigen. Das zu prüfende Inkontinenzprodukt wird an einen Prüftorso angelegt und es werden wiederholt definierte Flüssigkeitsmengen in das Produkt abgegeben, bis eine Leckage auftritt. Die Menge an Flüssigkeit, die ein Produkt absorbieren kann, bis es ausläuft, ist der sog. ABL-Wert. Die Rücknässung und die Aufsauggeschwindigkeit werden bei dieser Testmethode nicht gemessen.
Zusätzlich wird von Herstellern von aufsaugenden Inkontinenzprodukten die Aufnahmekapazität nach der Rothwellmethode (ISO 11948-1) angegeben. Dabei wird das Produkt für eine definierte Zeit vollständig in eine Prüflösung eingetaucht. Nach einer definierten Abtropfzeit wird die dabei insgesamt aufgenommene Flüssigkeitsmenge gemessen. Die Angabe der Aufnahmekapazität nach dieser Methode berücksichtigt nicht die physiologischen Gegebenheiten bei der Miktion. Daher ist diese Angabe für eine sinnvolle Produktauswahl im Versorgungsprozess ungeeignet und hat deshalb im Beratungsprozess keine Beachtung zu finden.
ABLEITENDE VERSORGUNG
Produkte dieser beiden Gruppen leiten die Köperausscheidungen Urin bzw. dünnflüssigen/breiigen Stuhl direkt oder über Verbindungsschläuche in entsprechende Auffangbeutel ab.
Zu ihnen gehören in unterschiedlichen Größen, Ausführungen und Ausstattungen u. a.:
externe Urinableiter für Frauen, Männer und Kinder in Verbindung mit unsterilen Urinauffangbeuteln
Urinalkondome/Rolltrichter verschiedener Art in Verbindung mit unsterilen Urinauffangbeuteln
Katheter verschiedener Art, z. B. Einmalkatheter (auch mit sterilen Urinauffangbeuteln) oder Dauerkatheter
Urin- und Stuhlauffangbeutel
Katheterverschlüsse, Katheterventile
Katheter
Ein Katheter für die intermittierende Selbstkatheterisierung (ISK) und intermittierende Fremdkatherisierung (IFK) muss zahlreiche, teilweise unterschiedliche Anforderungen erfüllen. So muss er einerseits hinreichend flexibel sein, um ohne großen Widerstand Krümmungen der Harnröhre folgen zu können, andererseits aber steif genug, um ihn ohne Ausknickung einführen zu können.
Die Beschaffenheit der Katheteroberfläche muss ein Anhaften an Schleimhautoberflächen verhindern. Insbesondere muss sichergestellt sein, dass die Oberfläche des Katheters, sofern sie durch ein Gleitmittelreservoir geführt wird, auch eine ausreichende Menge Gleitmittel mitführt. Wenn sie hydrophil beschichtet ist, muss die Benetzung mit sterilem Wasser ohne Kontaminationsgefahr möglich sein.
Die Vermeidung jeglicher Traumatisierung der Harnröhre spielt bei der ISK bzw. IFK eine ungleich größere Rolle als beim Dauerkatheter, da die intermittierende Selbst- bzw. Fremdkatheterisierung mehrfach täglich erfolgt. Es ist daher von essentieller Wichtigkeit, dass durch die Seitenaugen des Katheters und ebenso durch die Katheterspitze keinerlei Traumatisierung der Harnröhrenwand auftritt. Wenn eine Traumatisierung mehrfach am Tage auftritt, sind schwere Langzeitkomplikationen, z. B. Harnröhrenvernarbungen und Verengungen, zu erwarten.
Urinalbandagen
Urinalbandagen dienen zur Ableitung und zur Aufnahme von Urin bei inkontinenten Männern und Frauen.
Hilfsmittel zur Unterstützung einer kontrollierten Blasenentleerung
Therapiegeräte zum Kontinenztraining für Kinder
Therapiegeräte zum Kontinenztraining für Kinder erkennen über einen Sensor, die Abgabe von Urin. Sie geben dann einen akustischen oder fühlbaren Alarm.
Hilfsmittel zum Training der Beckenbodenmuskulatur, Übungsbehandlungen zur Verbesserung der Kontinenzstörung (Urin- und Stuhlinkontinenz) und/oder bei einer Beckenbodenschwäche sind mit den im Folgenden aufgeführten Trainingsgeräten vorgesehen:
Trainingsgewichte bzw. Konen
Mechanische Druckaufnahmesysteme
Elektronische Messsysteme der Beckenboden-Muskelaktivität (Biofeedback)
Mit diesen Geräten wird der Beckenboden trainiert. Vor der Verordnung derartiger Systeme sollten zunächst durch fachärztliche Untersuchungen die Behandlungsalternativen abgewogen werden und Versicherten vom Arzt in die Handhabung des in Frage kommenden Systems eingewiesen worden sein.
Intraurethrale, intravaginale und intraanale In- und Kontinenzprodukte
Intraurethrale Kontinenztherapieprodukte sollen die weibliche Harnröhre mittels eines in der Harnröhre platzierten Ballons verschließen und so den ungewollten Abfluss von Urin verhindern.
Intravaginale Inkontinenztherapieprodukte dienen zur Stützung bzw. Anhebung des Blasenhalses und des Uterus (Pessare). Dadurch kann einem unfreiwilligen Urinverlust vorgebeugt werden. Damit wird auch eine Unterstützung der Beckenbodenmuskulatur erreicht, durch die ggf. langfristig eine Kontinenz erreicht werden kann. Eine genaue Anpassung und Anleitung ist erforderlich.
Intraanale Inkontinenzprodukte
Analtampons verschließen bei Stuhlinkontinenz vorübergehend den Enddarm. Nach Entfernen des Analtampons kann der Stuhlgang durchgeführt werden.
LEISTUNGSPFLICHT DER GKV
Die Verordnung von Inkontinenzhilfen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung kommt dann in Betracht, wenn der Einsatz der Inkontinenzhilfen:
medizinisch indiziert und
im Einzelfall erforderlich ist und
den Versicherten in die Lage versetzt, Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen und Teilhabe zu erreichen.
Insbesondere im Bereich der aufsaugenden Inkontinenzversorgung ist die Stückzahl der benötigten Inkontinenzprodukte nicht allein auf Basis der individuellen Ausscheidungsmenge und des technisch maximal möglichen Aufsaugvermögens zu errechnen. Auch die hygienischen Anforderungen und die pflegerische Situation sind stets zu beachten. Neben der individuellen, bedarfsbezogenen Inkontinenzversorgung sind sowohl die hygienischen Anforderungen als auch die pflegerische Situation stets zu beachten. So können für eine bedarfsgerechte Versorgung je nach Einzelfall 5 oder mehr Produkte in einem Zeitraum von 24 Stunden notwendig sein.
Eine gleichzeitige Versorgung mit aufsaugenden und ableitenden Inkontinenzhilfsmitteln kommt in der Regel nur bei gleichzeitigem Vorliegen einer Stuhl- und Harninkontinenz Betracht.
Die Notwendigkeit einer Inkontinenzversorgung sollte in regelmäßigen Abständen vom behandelnden Arzt überprüft werden.
Da Krankenunterlagen (Bettschutzeinlagen) nicht körpernah (direkt am Ausscheidungsort) wirken,
sind sie der Produktgruppe 19 „Krankenpflegeartikel“ zugeordnet.
Es entspricht der Entwicklung und dem üblichen Reifeprozess, dass Kinder bis zum dritten Lebensjahr mit Babywindeln versorgt werden. Daher besteht für Kinder bis zu diesem Lebensalter grundsätzlich keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für aufsaugende Inkontinenzhilfen.
Produkte, die Bestandteil einer ärztlichen Leistung sind, z. B. suprapubische Katheter, stellen keine Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V dar.
Ein Zuschuss zu Wassertherapiehosen kann dann gewährt werden, wenn derartige Produkte bei Inkontinenten für Heilmittelbehandlungen im Bewegungsbad auf der Grundlage des § 32 SGB V benötigt werden. Eine ähnliche Bewertung ergibt sich für schulpflichtige inkontinente Kinder, die am Schwimmen im Rahmen der Schulpflicht teilnehmen. Die Höhe des Zuschusses ist individuell zu prüfen. Der Zuschuss kann unter der entsprechenden Abrechnungspositionsnummer abgerechnet werden.
Querverweise:
Krankenunterlagen: siehe Produktgruppe 19 „Krankenpflegeartikel“
Urostomieversorgung: siehe Produktgruppe 29 „Stomaartikel“
Darmirrigation: siehe Produktgruppe 03 „Applikationshilfen“
Elektrostimulationsgeräte bei Inkontinenz: siehe Produktgruppe 09 „Elektrostimulationsgeräte“
Siehe auch Pflegehilfsmittelverzeichnis
Änderungsdatum: 13.09.2021
Indikation
Man unterscheidet bei Harninkontinenz verschiedene Arten (Definition nach der ICS, International Continence Society):
Belastungsinkontinenz
Harnabgänge ohne vermehrten Harndrang bei körperlicher Belastung wie Husten, Niesen, Lachen, Treppensteigen und schwerem Heben. Die Blasenmuskelaktivität ist normal. Es besteht meist eine Beckenbodenschwäche aufgrund morphologischer Veränderungen, so dass die Drucktransmission auf die Harnröhre und deren Verschlussmechanismus aufgrund der Senkung und der morphologischen Veränderungen nicht mehr effizient genug sind.
Dranginkontinenz (Urge- Inkontinenz), motorisch
Es kommt zu unwillkürlichen Harnabgängen in Verbindung mit zwanghaft gesteigertem Harndrang und messbarer Hyperaktivität des Blasenmuskels. Bei Einsetzen der Blasenmuskelkontraktion ist eine willentliche Unterdrückung nicht mehr möglich.
Dranginkontinenz (Urge- Inkontinenz), sensorisch
Es kommt zu zwanghaftem Harndrang, dem nachgegeben werden muss. Bei der Blasendruckmessung sind keine ungehemmten Detrusoraktivitäten nachweisbar (auch die Sonderform der „Giggle-Harninkontinenz“).
Mischharninkontinenz
Kombination aus Belastungs- und Dranginkontinenz
Reflexinkontinenz
Ähnlich der motorischen Urge- Inkontinenz, das Gefühl für den Harndrang fehlt allerdings. Die Ursache ist immer neurogen und beruht auf einem pathologischen spinalen Reflex, häufig im Verbund mit paradoxer Schließmuskelreaktion.
Überlaufinkontinenz:
Fehlendes oder vermindertes Harndranggefühl. Bei Überschreiten der Maximalkapazität kommt es zur gewaltsamen Öffnung des Blasenauslasses und zur Entleerung, bis der Blaseninnendruck wieder unter den Verschlussdruck absinkt. Dies tritt häufig nach langfristig wirksamer Obstruktion (siehe auch motorische Urge- Inkontinenz) sekundär auf, wenn eine myogene Schädigung bei chronisch überdehntem Detrusor manifest wird. Auch neurogen bei Schädigung des sakralen Miktionszentrums oder peripher. Nicht selten auch medikamentös bedingt (Arzneimittel-Nebenwirkung).
Extraurethrale Harninkontinenzformen
Treten meist als angeborene Missbildungen auf oder im Falle von harnabsondernden Fisteln als Folge operativer oder entzündlicher Ereignisse.
Stuhlinkontinenz
Stuhlkontinenz ist nach WHO-Definition die erlernte Fähigkeit, „Stuhlgang willentlich, orts- und zeitgerecht abzusetzen“.
Eine unwillkürliche Entleerung on flüssigem oder festem Stuhl wird als Stuhlinkontinenz bezeichnet. Stuhlinkontinenz kann vorliegen bei z. B.:
neurogenen Störungen oder Läsionen (Schlaganfall, Demenz, Querschnittlähmung, Bandscheibenverletzungen, Tumoren usw.)
chron. Erkrankungen, wie M. Parkinson, Multiple Sklerose, Demenz
nach Verletzungen (Traumata) im Analbereich, z. B. nach Entbindungen
Schädigungen des Schließmuskelsystems oder dessen sensibler Wahrnehmung
einer Funktionsstörung/Schädigung der Beckenbodenmuskulatur
chronischer Obstipation, rektale Koprostase
Rektumprolaps
Analfisteln
Verletzungen im Analbereich
Speicherfunktionsstörungen nach Operation am Rektum oder Enddarm in Folge von Karzinomerkrankungen oder chron. Krankheiten, wie M. Crohn, Colitis Ulcerosa
Änderungsdatum: 13.09.2021